MAIK KRAHL QUARTETT – 9.2.2020, 18 Uhr

Maik Krahl Quartett – Decidophobia

VÖ: Oktober 2018 Double Moon/Challenge Records
„Decidophobia“ bezeichnet die Angst, Entscheidungen zu treffen. Das klingt erstmal ungemütlich und dass eine Jazz-Platte so heißt, wirft zugegebenermaßen auch Fragen auf, muss man bei der Produktions eines Albums doch so einige Entscheidungen treffen.
Angst vor Entscheidungen hat der junge in Köln lebende Trompeter Maik Krahl aber überhaupt nicht. Geboren 1991 in Bautzen, arbeitet er seit seinem 8. Lebensjahr entschlossen an seiner Karriere als Jazz-Trompeter. Nur ein kleiner Auszug seiner beachtlichen Stationen sind ein Platz im Bundesjugendjazzorchester, ein Jazz-Studium in Dresden bei Till Brönner, ein Master-Studium bei Ryan Carniaux an der Folkwang Universität der Künste Essen sowie zahlreiche Tourneen in unterschiedlichsten Formationen. Und eben das 2017 gegründete Maik Krahl Quartett, das nun sein Debütalbum veröffentlicht.
Bei „Decidophobia“ kommen Freunde von traditionellem Jazz genauso auf ihre Kosten wie all jene, die es etwas experimenteller mögen. Stets bleibt Maik Krahls an Chet Baker erinnernder weicher Trompetensound der rote Faden. Den Spagat in die Moderne schafft er nicht nur spielerisch, sondern auch durch den geschmackvollen Einsatz von Effekten. Er versieht seine Trompete mit einem Delay, verfremdet ihr Signal durch Phaser oder Distortion.
Bass (Oliver Lutz) und Drums (Hendrik Smock) bilden die Klammer zu einem klassischen Jazz-Sound, um neben Maik Krahl’s Trompete abwechselnd mal Gitarre, mal Rhodes zu featuren.
Gitarristisch (Bruno Müller) gibt es auf Decidophobia neben weichen und spannenden Linien, die man auf einer Jazz-Platte erwartet, durchaus neo-soulige Momente in Spanky Alford-Marnier und Tasten-Freunde dürfen sich zudem auch auf ein wohlig-warmes wie ebenso facettenreiches Rhodes (Constantin Krahmer) freuen.
Besonders hervorzuheben sei der titelgebende Song des Albums, „Decidophobia“. Kaum hat sich der Zuhörer als einen soften, traditionellen Klang gewöhnt, setzen die Trompete und Gitarre mit verzerrtem Signal ein. Dies erweist sich in keinster Weise als verstörend, vielmehr ist es fast ein Radiohead-Moment. Gleichzeitig erinnert diese verzerrte Trompete wieder an den oldschooligen Sound eines Grammophons. Eine bewusste Entscheidung, hier keine Entscheidung zu treffen und den Flow zuzulassen, den das Stück einfordert. Dabei ist das ganze Album „Decidophobia“ neben aller Virtuosität wunderbar zugänglich und melodiös.
Bleibt also festzuhalten, dass die „Angst, Entscheidungen zu treffen“ sehr wohl etwas Gutes haben kann, wenn sie zu einem abwechslungsreichen und stimmigen Sound- & Motiv-Feuerwerk wie auf „Decidophobia“ führen kann.

PICCOLO 2020 – 12.1. – 16.2.2010

Zur Eröffnung der Ausstellung PICCOLO 2020 am 12.1.2020 um 15:00 Uhr laden wir Sie ganz herzlich ein.  
Es begrüßt Sie Vize-Bürgermeisterin Angela Pollheim.
Zur Einführung spricht Sabine Klement.
Die  Ausstellung mit 17 Künstler/innen aus Deutschland die sich dem kleinen Format in der Gegenwartskunst widmet, zeigt Werke von Frank Baquet, Shahin Damizadeh, Georg Gartz, Ulrike Gohla, Friederike Graben, Krzysztof Gruse, Axel Höptner, Hannah A. Hovermann, Marc Kirschvink, Beata Obst, Susanne Patzke, Lena Reifenhäuser, Daniela Renneberg, Barbara Ring, Inge Schmidt, Tor Michael Sönksen und Eri Ständer. Neben etablierten, bekannten Künstlern präsentieren auch wieder junge, interessante Nachwuchskünstler/innen ihre Arbeiten erstmalig mal in Troisdorf.   Die Ausstellung ist bis zum16. Februar 2020 jeweils samstags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 14 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung unter Tel. 02241/1261581 zu sehen.
Die Finissage findet am 16.2.2020 um 11:30 Uhr statt.

Piccolo – eine Ausstellung, die sich dem kleinen Format widmet – hat im fast achtjährigen Bestehen des Troisdorfer Kunsthauses schon Tradition, sie findet nun zum fünften Mal statt.

Beteiligt sind diesmal siebzehn Künstlerinnen und Künstler mit ihren ganz unterschiedlichen Arbeiten, die hier in Gruppen nach Künstlern ‚sortiert‘ geboten werden, zu den Arbeiten liegt eine Liste mit Detailinformationen aus. Vier der ausgestellten Künstler arbeiten in den im Haus befindlichen Künstlerateliers – eine Förderstipendiatin ist auch darunter. Die übrigen Damen und Herren wurden von den hier ansässigen Künstler*innen ausgewählt und eingeladen, um Ihnen Abwechslung zu bieten und den Blick über die künstlerischen Aktivitäten in Troisdorf hinaus zu richten.

Mein Name ist Sabine Klement und ich darf sie in meiner Eigenschaft als Inhaberin einer Kunstagentur in Köln in diese Ausstellung einführen, ich befasse mich also beruflich mit verschiedenen Arten der Vermittlung zeitgenössischer Kunst und habe mir aus Anlass dieser Veranstaltung Gedanken über das kleine Format gemacht.

Die Ausstellung zeigt ihnen ein breites Spektrum an Arbeiten, insgesamt sind es weit über hundert Stück unterschiedlicher Stile und Techniken und damit macht sie Vielheit und Vielfalt zu ihrem Programm.

Zusammengehalten wird das Konzept einmal dadurch, dass hier nur Arbeiten lebender Künstler*innen gezeigt werden und zum anderen durch das Format, das meint in diesem Fall die Größe der Arbeiten, dazu gab es die Regel, dass das das Außenmaß 40x40cm nicht überschreiten durfte. Jetzt erkennen Sie in diesen Räumen leicht, dass das, was so klar und streng klingt, im Ergebnis große Freiheit lässt. Die Arbeiten sind nun nicht unbedingt für diese Ausstellung erstellt worden, Künstler*innen verfügen in aller Regel über einen Fundus und haben dann für diese Präsentation etwas in ihren Augen Passendes, besonders Charakteristisches ausgewählt.

Dabei ist das Format natürlich keine ästhetische Kategorie, kein Kriterium für Qualität – die Werke sind nicht deshalb sehenswert, weil sie 40x40cm nicht überschreiten. Jeder der anwesenden Künstler*innen verfügt über größere Werke, die zu betrachten sich womöglich für Sie lohnen würde, liebe Besucher*innen! Betrachten Sie die Ausstellung insofern durchaus als Appetizer und wenden Sie sich ggf. über das Kunsthaus an die Künstler*innen, wenn Sie sich für mehr interessieren, denn lebende Künstler*innen arbeiten für Sie, das zeitgenössische Publikum – nicht fürs Museum, da kommen ja ehrlich gesagt die allerwenigsten mit ihren Werken hin.

Trotzdem hat das Kunsthaus die Format-Beschränkung als Zugangsschranke für diese Ausstellung in seiner Galerie gewählt – warum? Wahrscheinlich auch, weil der Platz an der Wand, die Ausstellungsfläche begrenzt ist. Der sog. Kunstbetrieb gestaltet sich nicht nur künstlerisch frei und erhaben, sondern es geht auch oft um: Handhabbarkeit, Machbarkeit. Man möchte die Bürgerinnen und Bürger Troisdorfs anziehen und gut unterhalten mit einer abwechslungsreichen Ausstellung, und Werken, die man auch finanziell einmal zu erwerben im Stande ist – die Ressourcen sind allenthalben begrenzt.

Aber nun gibt es in diesem Zusammenhang eine Beobachtung zu machen: Gerade durch das vorgegeben Format, durch seine Wiederholung, werden die Kunstwerke in ihrer Unterschiedlichkeit vergleichbar und das einzelne Werk wird damit in seiner Besonderheit besser wahrnehmbar. Es kann aufschlussreich sein, diesen Vergleich gleich hier mit einzelnen Arbeiten bewusst und aktiv zu zelebrieren und vorzugsweise im Dialog mit einem Partner seine Wahrnehmungen zu artikulieren. Sie werden vielleicht überrascht sein, wie viel konkreter dadurch ihr Gespür, Ihr Verständnis von Qualitäten an Kunstwerken wird. Durch den Vergleich der Unterschiede also erschließt sich das einzelne Werk besser – man spricht von Differenzqualität.

Und es wird dabei zudem deutlich, dass die Beschränkung durch eine äußere Grenze nicht nur als Einschränkung im Sinne einer Freiheits-Beschneidung wirkt, sondern auch einen Spielraum eröffnet, in dem künstlerische Techniken und kreative Taktiken zur Anwendung kommen können und sich in zahlreichen unterschiedlichen Werkvarianten gewissermaßen spektral vor Ihnen auffächern. Wie spielerisch sich künstlerischer Einfallsreichtum über die formale Zugangsschranke der ‚Kleinheit‘ schwingt, um in ganz unterschiedlichen Formen und Sprachen mit ihnen zu kommunizieren, zeigen sehr gut die hier vertretenen Kunstwerke – ich bleibe bei meiner Aufzählung bewusst im Materiellen –, es gibt Arbeiten auf Schmirgelpapier, Karton, Holz, Leinwand und Metall, es wird mit Acryl- und Ölfarbe, Tusche, Kreide, Graphit und Buntstift gemalt und gezeichnet, es wird gedruckt – Techniken von Kartoffeldruck bis Siebdruck und einige Fotodruckverfahren sind vertreten -, es wird geschnitten, gerissen, collagiert und sogar plastiziert, es gibt Malerei, Grafik, Fotografie, Mixed Media und Objektkunst.

Hier deutet sich schon an, dass das Kleine gegenüber dem Großen eigene taktische Möglichkeiten hat, sich zu behaupten. Ich lade Sie ein, mit mir nun noch etwas genauer darauf zu schauen was die Qualität des Kleinen an sich ist, wenn man es nicht nur als Verkleinerung des Großen, sein defizitäres Abbild betrachtet. Und dabei zu fragen: welche Bedeutung hat das Wort ‚klein‘ in Zusammenhang mit Kunstwerken, was löst es bei uns aus? Rein visuell sagt Kleinheit: ‚Ich bin unscheinbar.‘ – man muss näher heran gehen, um eine kleine Sache erkennen und angemessen würdigen zu können. Ein kleines Schmuckstück wirkt bescheiden, zurückgenommen. Es kann aber auch die Konnotation des Erlesenen, Besonderen tragen, wie im Ausspruch „klein, aber fein“ zum Ausdruck kommt.

Klein sein heißt beweglich und flexibel sein – etwas, das man ‚dazwischenschieben‘ kann, wie eine sog. ‚Zwischenmahlzeit‘.

Was beweglich ist, ist auch unabhängiger, variabler, es passt in Nischen, das macht es überlebensfähig und alltagstauglich (nota bene: 60% aller lebenden Tiere sind Insekten!).

Man kann eher eine Vielzahl kleiner Kunstwerke ausstellen, als einige monumentale Werke. Das Werk im kleinen Format ist wie ein Modul, ein Baustein: unterschiedlich einsetzbar und verschiebbar.

Klein sein bedeutet oft auch leicht zu sein.

Die Technologie unserer Zeit, des sog. Informationszeitalters setzt darauf Dinge möglichst

klein zu machen – möglichst kleine Speichermedien und Prozessoren, die sog. Nanotechnologie. Sobald es etwas Kleineres gibt, das dasselbe leistet wie etwas Größeres, erscheint das Größere als schwerfällig, langsam, unterlegen, überholt.

Das einzelne Kleine, das um seiner Kleinheit willen eines besonders aufwändigen Herstellungsprozesses bedarf, tritt uns insbesondere in Form der Miniatur entgegen. Darunter sind nicht nur verkleinerte Modelle von etwas Großem zu verstehen, sondern

auch alle besonders kostbaren ‚Rekorde der Kleinheit‘, zum Beispiel aus Elfenbein geschnitzte chinesische Wunderkugeln, überaus detailreiche Buchmalerei des späten Mittelalters – teils mit nur einem Pinselhaar ausgeführt und Blattgoldverzierung obendrein.

Das Kleine kann durch seine Kleinheit auch geschützt sein vor Augen und Zugriff anderer, womöglich unbefugter Personen. Man hat es ‚für sich‘ und dem Verhältnis zwischen einem kleinen Gegenstand und seinem Besitzer ist oft eine besondere Intimität zu eigen.

Ein kleines Bild kann ich mit einem Blick erfassen, es ist vielleicht nicht größer als das Gesicht einer Person, mit der ich Zwiesprache halte. Um ein sehr großes Bild als Ganzes zu erfassen, muss ich oft eine distanzierte Haltung einnehmen – aber dann drohen mir die Details zu entgehen – eine nicht nur örtlich andere Art der Beziehung.

Das kleine Bild ist für den Betrachter überschaubar: man kann die Bildoberfläche aus der Nähe mit dem Blick abtasten, jeden Strich nachvollziehen. Das Wahrnehmen ist so innig, wie eine Berührung mit den Augen.

Kleines kommt per definitionem nicht alleine daher sondern im Plural – es ist gerne sozial und bringt einige gleichfalls kleine Kumpels zur Gesellschaft mit. Wo ein großes Bild ist, haben rein physikalisch zwei halb so große nebeneinander Platz. Aber was das darüber hinaus heißt, verdeutlicht der aktuelle Vergleich mit der Idee des Jobsharings bei Führungskräften (von dem Einige immer noch sagen, es sei faktisch unmöglich – während anderenorts schon erfolgreich Zwei mehr als Eins plus Eins ergeben). Auch mehrere kleine Kunstwerke ergeben nicht nur die gleiche, anders aufgeteilte Fläche eines Großen, sondern darüber hinaus alles, was aus ihrer Beziehung zueinander als Synergie entstehen kann – sie bringen sich gegenseitig zur Geltung. Vergleichbar bringt auch eine Serie von mehreren Bildern desselben Künstlers dessen künstlerische Qualität zum Vorschein – wir haben hier mehrere Beispiele, an denen Sie es selbst nachvollziehen können.

Und nun sehen Sie mir bitte nach, dass ich Sie auf eine Selbstverständlichkeit ausdrücklich hinweise: ein kleines Kunstwerk kann selbstverständlich Träger einer komplexen Bedeutung sein. Der Symbolwert eines Bildes, seine Tiefe, seine technische und ästhetische Qualität, seine Aura, also seine künstlerische Relevanz stehen nicht im direkten Verhältnis zu seiner physischen Größe. Ein kleines Kunstwerk kann für Sie das gewisse Etwas haben, die Kirsche auf dem Törtchen sein oder die Prise Salz in der großen Suppe ihrer privaten Sammlung oder sogar der Kunst schlechthin.

Ich schließe mit einem Zitat von Johann Feilacher, er ist künstlerischer Direktor des Museums Gugging in Österreich und hat 2013 ein Buch über Art Brut veröffentlicht, es heißt ‚Small Formats‘, dort schreibt er:

„In der Enge und im Kleinen kann man nichts verstecken.“.

In diesem Sinne: genießen Sie mit Muße die Kunstwerke der Ausstellung – es ist alles sichtbar! Danke für ihre Aufmerksamkeit!

Sabine Klement

Kunstvermittlerin

Januar 2020

Referenz: Hilfreich und anregend bei meiner Auseinandersetzung mit dem kleinen Format waren die Schriften von Dr. Michael Niehaus, Literaturwissenschaftler und Germanist. Danke dafür!