VÖ: Oktober 2018 Double Moon/Challenge Records „Decidophobia“ bezeichnet die Angst, Entscheidungen zu treffen. Das klingt erstmal ungemütlich und dass eine Jazz-Platte so heißt, wirft zugegebenermaßen auch Fragen auf, muss man bei der Produktions eines Albums doch so einige Entscheidungen treffen. Angst vor Entscheidungen hat der junge in Köln lebende Trompeter Maik Krahl aber überhaupt nicht. Geboren 1991 in Bautzen, arbeitet er seit seinem 8. Lebensjahr entschlossen an seiner Karriere als Jazz-Trompeter. Nur ein kleiner Auszug seiner beachtlichen Stationen sind ein Platz im Bundesjugendjazzorchester, ein Jazz-Studium in Dresden bei Till Brönner, ein Master-Studium bei Ryan Carniaux an der Folkwang Universität der Künste Essen sowie zahlreiche Tourneen in unterschiedlichsten Formationen. Und eben das 2017 gegründete Maik Krahl Quartett, das nun sein Debütalbum veröffentlicht. Bei „Decidophobia“ kommen Freunde von traditionellem Jazz genauso auf ihre Kosten wie all jene, die es etwas experimenteller mögen. Stets bleibt Maik Krahls an Chet Baker erinnernder weicher Trompetensound der rote Faden. Den Spagat in die Moderne schafft er nicht nur spielerisch, sondern auch durch den geschmackvollen Einsatz von Effekten. Er versieht seine Trompete mit einem Delay, verfremdet ihr Signal durch Phaser oder Distortion. Bass (Oliver Lutz) und Drums (Hendrik Smock) bilden die Klammer zu einem klassischen Jazz-Sound, um neben Maik Krahl’s Trompete abwechselnd mal Gitarre, mal Rhodes zu featuren. Gitarristisch (Bruno Müller) gibt es auf Decidophobia neben weichen und spannenden Linien, die man auf einer Jazz-Platte erwartet, durchaus neo-soulige Momente in Spanky Alford-Marnier und Tasten-Freunde dürfen sich zudem auch auf ein wohlig-warmes wie ebenso facettenreiches Rhodes (Constantin Krahmer) freuen. Besonders hervorzuheben sei der titelgebende Song des Albums, „Decidophobia“. Kaum hat sich der Zuhörer als einen soften, traditionellen Klang gewöhnt, setzen die Trompete und Gitarre mit verzerrtem Signal ein. Dies erweist sich in keinster Weise als verstörend, vielmehr ist es fast ein Radiohead-Moment. Gleichzeitig erinnert diese verzerrte Trompete wieder an den oldschooligen Sound eines Grammophons. Eine bewusste Entscheidung, hier keine Entscheidung zu treffen und den Flow zuzulassen, den das Stück einfordert. Dabei ist das ganze Album „Decidophobia“ neben aller Virtuosität wunderbar zugänglich und melodiös. Bleibt also festzuhalten, dass die „Angst, Entscheidungen zu treffen“ sehr wohl etwas Gutes haben kann, wenn sie zu einem abwechslungsreichen und stimmigen Sound- & Motiv-Feuerwerk wie auf „Decidophobia“ führen kann.
Zur Eröffnung der Ausstellung PICCOLO 2020 am 12.1.2020 um 15:00 Uhr laden wir Sie ganz herzlich ein. Es begrüßt Sie Vize-Bürgermeisterin Angela Pollheim. Zur Einführung spricht Sabine Klement. Die Ausstellung mit 17 Künstler/innen aus Deutschland die sich dem kleinen Format in der Gegenwartskunst widmet, zeigt Werke von Frank Baquet, Shahin Damizadeh, Georg Gartz, Ulrike Gohla, Friederike Graben, Krzysztof Gruse, Axel Höptner, Hannah A. Hovermann, Marc Kirschvink, Beata Obst, Susanne Patzke, Lena Reifenhäuser, Daniela Renneberg, Barbara Ring, Inge Schmidt, Tor Michael Sönksen und Eri Ständer. Neben etablierten, bekannten Künstlern präsentieren auch wieder junge, interessante Nachwuchskünstler/innen ihre Arbeiten erstmalig mal in Troisdorf. Die Ausstellung ist bis zum16. Februar 2020 jeweils samstags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 14 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung unter Tel. 02241/1261581 zu sehen. Die Finissage findet am 16.2.2020 um 11:30 Uhr statt.
Piccolo – eine
Ausstellung, die sich dem kleinen Format widmet – hat im fast achtjährigen
Bestehen des Troisdorfer Kunsthauses schon Tradition, sie findet nun zum
fünften Mal statt.
Beteiligt sind diesmal siebzehn
Künstlerinnen und Künstler mit ihren ganz unterschiedlichen Arbeiten, die hier
in Gruppen nach Künstlern ‚sortiert‘ geboten werden, zu den Arbeiten liegt eine
Liste mit Detailinformationen aus. Vier der ausgestellten Künstler arbeiten in
den im Haus befindlichen Künstlerateliers – eine Förderstipendiatin ist auch
darunter. Die übrigen Damen und Herren wurden von den hier ansässigen Künstler*innen
ausgewählt und eingeladen, um Ihnen Abwechslung zu bieten und den Blick über
die künstlerischen Aktivitäten in Troisdorf hinaus zu richten.
Mein Name ist Sabine
Klement und ich darf sie in meiner Eigenschaft als Inhaberin einer Kunstagentur
in Köln in diese Ausstellung einführen, ich befasse mich also beruflich mit
verschiedenen Arten der Vermittlung zeitgenössischer Kunst und habe mir aus Anlass
dieser Veranstaltung Gedanken über das kleine Format gemacht.
Die Ausstellung zeigt
ihnen ein breites Spektrum an Arbeiten, insgesamt sind es weit über hundert
Stück unterschiedlicher Stile und Techniken und damit macht sie Vielheit und
Vielfalt zu ihrem Programm.
Zusammengehalten wird das
Konzept einmal dadurch, dass hier nur Arbeiten lebender Künstler*innen gezeigt
werden und zum anderen durch das Format, das meint in diesem Fall die Größe der
Arbeiten, dazu gab es die Regel, dass das das Außenmaß 40x40cm nicht
überschreiten durfte. Jetzt erkennen Sie in diesen Räumen leicht, dass das, was
so klar und streng klingt, im Ergebnis große Freiheit lässt. Die Arbeiten sind
nun nicht unbedingt für diese Ausstellung erstellt worden, Künstler*innen
verfügen in aller Regel über einen Fundus und haben dann für diese Präsentation
etwas in ihren Augen Passendes, besonders Charakteristisches ausgewählt.
Dabei ist das Format
natürlich keine ästhetische Kategorie, kein Kriterium für Qualität – die Werke
sind nicht deshalb sehenswert, weil sie 40x40cm nicht überschreiten. Jeder der
anwesenden Künstler*innen verfügt über größere Werke, die zu betrachten sich
womöglich für Sie lohnen würde, liebe Besucher*innen! Betrachten Sie die
Ausstellung insofern durchaus als Appetizer und wenden Sie sich ggf. über das
Kunsthaus an die Künstler*innen, wenn Sie sich für mehr interessieren, denn lebende
Künstler*innen arbeiten für Sie, das zeitgenössische Publikum – nicht fürs
Museum, da kommen ja ehrlich gesagt die allerwenigsten mit ihren Werken hin.
Trotzdem hat das
Kunsthaus die Format-Beschränkung als Zugangsschranke für diese Ausstellung in
seiner Galerie gewählt – warum? Wahrscheinlich auch, weil der Platz an der
Wand, die Ausstellungsfläche begrenzt ist. Der sog. Kunstbetrieb gestaltet sich
nicht nur künstlerisch frei und erhaben, sondern es geht auch oft um:
Handhabbarkeit, Machbarkeit. Man möchte die Bürgerinnen und Bürger Troisdorfs anziehen
und gut unterhalten mit einer abwechslungsreichen Ausstellung, und Werken, die
man auch finanziell einmal zu erwerben im Stande ist – die Ressourcen sind allenthalben
begrenzt.
Aber nun gibt es in
diesem Zusammenhang eine Beobachtung zu machen: Gerade durch das vorgegeben
Format, durch seine Wiederholung, werden die Kunstwerke in ihrer
Unterschiedlichkeit vergleichbar und das einzelne Werk wird damit in seiner
Besonderheit besser wahrnehmbar. Es kann aufschlussreich sein, diesen Vergleich
gleich hier mit einzelnen Arbeiten bewusst und aktiv zu zelebrieren und
vorzugsweise im Dialog mit einem Partner seine Wahrnehmungen zu artikulieren.
Sie werden vielleicht überrascht sein, wie viel konkreter dadurch ihr Gespür,
Ihr Verständnis von Qualitäten an Kunstwerken wird. Durch den Vergleich der
Unterschiede also erschließt sich das einzelne Werk besser – man spricht von
Differenzqualität.
Und es wird
dabei zudem deutlich, dass die Beschränkung
durch eine äußere
Grenze nicht nur als Einschränkung im
Sinne einer Freiheits-Beschneidung wirkt, sondern auch einen Spielraum eröffnet, in dem
künstlerische Techniken und kreative Taktiken zur Anwendung kommen können und
sich in zahlreichen unterschiedlichen Werkvarianten gewissermaßen spektral vor
Ihnen auffächern. Wie spielerisch sich künstlerischer
Einfallsreichtum über die formale Zugangsschranke der ‚Kleinheit‘ schwingt, um
in ganz unterschiedlichen Formen und Sprachen mit ihnen zu kommunizieren, zeigen
sehr gut die hier vertretenen Kunstwerke – ich bleibe bei meiner Aufzählung
bewusst im Materiellen –, es gibt Arbeiten auf Schmirgelpapier, Karton, Holz,
Leinwand und Metall, es wird mit Acryl- und Ölfarbe, Tusche, Kreide, Graphit
und Buntstift gemalt und gezeichnet, es wird gedruckt – Techniken von
Kartoffeldruck bis Siebdruck und einige Fotodruckverfahren sind vertreten -, es
wird geschnitten, gerissen, collagiert und sogar plastiziert, es gibt Malerei,
Grafik, Fotografie, Mixed Media und Objektkunst.
Hier deutet sich schon an, dass das Kleine gegenüber dem
Großen eigene taktische Möglichkeiten hat, sich zu behaupten. Ich lade Sie ein,
mit mir nun noch etwas genauer darauf zu schauen was
die Qualität des Kleinen an sich ist, wenn man es nicht nur als Verkleinerung
des Großen, sein defizitäres Abbild betrachtet. Und dabei zu fragen: welche
Bedeutung hat das Wort ‚klein‘ in Zusammenhang mit Kunstwerken, was löst es bei
uns aus? Rein visuell sagt Kleinheit: ‚Ich bin unscheinbar.‘ – man muss näher
heran gehen, um eine kleine Sache erkennen und angemessen würdigen zu können.
Ein kleines Schmuckstück wirkt bescheiden, zurückgenommen. Es kann aber auch
die Konnotation des Erlesenen,
Besonderen tragen, wie im Ausspruch „klein, aber fein“ zum Ausdruck kommt.
Klein sein heißt beweglich
und flexibel sein – etwas, das man ‚dazwischenschieben‘ kann, wie eine sog. ‚Zwischenmahlzeit‘.
Was beweglich ist, ist
auch unabhängiger, variabler, es passt in Nischen, das macht es überlebensfähig
und alltagstauglich (nota bene: 60% aller lebenden Tiere sind Insekten!).
Man kann eher
eine Vielzahl kleiner Kunstwerke ausstellen, als einige monumentale Werke. Das
Werk im kleinen Format ist wie
ein Modul, ein Baustein: unterschiedlich
einsetzbar und verschiebbar.
Klein sein
bedeutet oft auch leicht zu sein.
Die Technologie unserer Zeit, des sog. Informationszeitalters
setzt darauf Dinge möglichst
klein zu machen – möglichst kleine Speichermedien und
Prozessoren, die sog. Nanotechnologie. Sobald es etwas Kleineres gibt, das dasselbe
leistet wie etwas Größeres, erscheint das Größere als schwerfällig, langsam, unterlegen,
überholt.
Das einzelne Kleine, das um seiner Kleinheit willen eines besonders
aufwändigen Herstellungsprozesses bedarf, tritt uns insbesondere in Form der Miniatur
entgegen. Darunter sind nicht nur verkleinerte Modelle von etwas Großem zu
verstehen, sondern
auch alle
besonders kostbaren ‚Rekordeder Kleinheit‘, zum Beispiel aus
Elfenbein geschnitzte chinesische Wunderkugeln, überaus detailreiche Buchmalerei
des späten Mittelalters – teils mit nur einem Pinselhaar ausgeführt und
Blattgoldverzierung obendrein.
Das Kleine kann durch seine Kleinheit auch geschützt sein vor
Augen und Zugriff anderer, womöglich unbefugter Personen. Man hat es ‚für sich‘
und dem Verhältnis zwischen einem kleinen Gegenstand und seinem Besitzer ist oft
eine besondere Intimität zu eigen.
Ein kleines Bild kann ich mit einem Blick erfassen, es ist vielleicht
nicht größer als das Gesicht einer Person, mit der ich Zwiesprache halte. Um
ein sehr großes Bild als Ganzes zu erfassen, muss ich oft eine distanzierte
Haltung einnehmen – aber dann drohen mir die Details zu entgehen – eine nicht
nur örtlich andere Art der Beziehung.
Das kleine Bild ist für den Betrachter überschaubar: man kann die Bildoberfläche aus der
Nähe mit dem Blick abtasten, jeden Strich nachvollziehen. Das Wahrnehmen ist so innig, wie eine Berührung mit den
Augen.
Kleines kommt per definitionem nicht alleine daher sondern
im Plural – es ist gerne sozial und bringt einige gleichfalls kleine Kumpels zur
Gesellschaft mit. Wo ein großes Bild ist, haben rein physikalisch zwei halb so
große nebeneinander Platz. Aber was das darüber hinaus heißt, verdeutlicht der aktuelle
Vergleich mit der Idee des Jobsharings bei Führungskräften (von dem Einige
immer noch sagen, es sei faktisch unmöglich – während anderenorts schon
erfolgreich Zwei mehr als Eins plus Eins ergeben). Auch mehrere kleine
Kunstwerke ergeben nicht nur die gleiche, anders aufgeteilte Fläche eines
Großen, sondern darüber hinaus alles, was aus ihrer Beziehung zueinander als
Synergie entstehen kann – sie bringen sich gegenseitig zur Geltung. Vergleichbar
bringt auch eine Serie von mehreren Bildern desselben Künstlers dessen künstlerische
Qualität zum Vorschein – wir haben hier mehrere Beispiele, an denen Sie es selbst
nachvollziehen können.
Und nun sehen
Sie mir bitte nach, dass ich Sie auf eine Selbstverständlichkeit ausdrücklich hinweise:
ein kleines Kunstwerk kann selbstverständlich Träger einer komplexen
Bedeutung sein. Der Symbolwert eines Bildes, seine Tiefe, seine technische und
ästhetische Qualität, seine Aura, also seine künstlerische Relevanz stehen
nicht im direkten Verhältnis zu seiner physischen Größe. Ein kleines Kunstwerk
kann für Sie das gewisse Etwas haben, die Kirsche auf dem Törtchen sein oder
die Prise Salz in der großen Suppe ihrer privaten Sammlung oder sogar der Kunst
schlechthin.
Ich schließe mit einem Zitat von Johann Feilacher, er ist künstlerischer
Direktor des Museums Gugging in Österreich und hat 2013 ein Buch über Art Brut veröffentlicht,
es heißt ‚Small Formats‘, dort schreibt er:
„In der Enge und im Kleinen kann man nichts verstecken.“.
In diesem Sinne: genießen Sie mit Muße die Kunstwerke der
Ausstellung – es ist alles sichtbar! Danke für ihre Aufmerksamkeit!
Sabine Klement
Kunstvermittlerin
Januar 2020
Referenz:
Hilfreich und anregend bei meiner Auseinandersetzung mit dem kleinen Format
waren die Schriften von Dr. Michael Niehaus, Literaturwissenschaftler und
Germanist. Danke dafür!
Wir verwenden Cookies, um unsere Website und unseren Service zu optimieren.
Funktionale Cookies
Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.